Martina Navratilova im Interview

Martina_navratilova700x395x2Martina Navratilova ist eine lebende Tennislegende, vor allem in Stuttgart. Denn mit sechs Einzeltiteln ist sie alleinige Rekordhalterin beim Porsche Tennis Grand Prix. Und ist ist auch heute noch immer Porsche treu.

Frau Navratilova, Sie sind mit sechs Siegen allein Rekordsiegerin beim Porsche Tennis Grand Prix. Wann waren Sie zuletzt in Stuttgart?

Ich war lange nicht da, aber ich fahre seit 1978 Porsche. Damals habe ich mir einen 928 gekauft. Er war meine Belohnung, weil ich in dem Jahr erstmals Wimbledon gewann. Ich sah das Fahrzeug bei einem Händler. Er sah fantastisch aus. Ich sagte mir: Wenn ich Wimbledon gewinne, kaufe ich mir dieses Auto. Es kostete damals übrigens 29 000 Dollar. Seit zwei Jahren fahre ich einen Panamera. Sie sehen, ich bin Porsche noch immer treu. Einige Fahrzeuge habe ich gewonnen, aber ich habe mir auch viele gekauft.

Haben Sie verfolgt, wie sich das Turnier in Stuttgart inzwischen verändert hat?

Ich habe es leider nur im Fernsehen gesehen. Es macht einen fantastischen Eindruck. Die Spielerinnen lieben das Turnier. Ich würde gern einmal wieder kommen und mir die Porsche-Arena ansehen. Auch die Produktion in Zuffenhausen interessiert mich brennend. Ich bin ein Autofreak. Sie werden es nicht glauben, aber ich beschäftige mich sogar mit dem Innenleben meiner Autos.

Woran erinnern Sie sich besonders? Was waren die Highlights in Stuttgart zu Ihrer aktiven Zeit?

Das Essen war immer gut (lacht). Besonders schön war, dass die Zuschauer mir immer ein Geburtstagsständchen gesungen haben. Damals fand das Turnier noch im Oktober statt. Mein schönster Finalsieg war 1988 gegen Chris Evert. Vielleicht spielte ich da mein bestes Tennis. Ich weiß noch, wie ich anschließend mit dem Siegerauto über die Autobahn raste und der Tachometer 285 Kilometer pro Stunde anzeigte.

Neuerdings trainieren Sie Agnieszka Radwanska. Wie kam es dazu?

Ihr Manager rief mich im vergangenen November an. Er suchte jemanden, der Agnieszka weiter nach vorn bringen kann. Ich sagte: Okay, aber ich muss mich vorher mit ihr treffen. Ich muss sie kennenlernen. Ich wollte wissen, warum sie ausgerechnet mich als Trainerin wollte. Mir war wichtig zu erfahren: Was ist sie bereit zu tun, um das Optimale zu erreichen?

Wie definieren Sie Ihre Aufgabe?

Es ist kein Fulltime-Job. Ich habe viele andere Verpflichtungen. Ich arbeite viel fürs Fernsehen. Aber ich bin Teil des Teams. Agnieszka hat mit Tomasz Wiktorowski einen erstklassigen Coach. Ich bin dafür da, punktuell zu helfen. So habe ich das früher in meiner Karriere auch gehandhabt. Ich hatte mit Craig Kardon einen Coach und fragte Billie Jean King, ob sie mir helfen könnte. Zu dem Zeitpunkt hatte ich schon einige Male Wimbledon gewonnen. Aber ich wollte mehr Titel. Ich wollte noch besser werden. Agnieszka will das Gleiche. Sie spielt zwar schon lange auf der Tour, aber sie ist erst 25. Sie hat noch viel Zeit, um Fortschritte zu machen.

Gibt es einen zeitlichen Rahmen für die Zusammenarbeit?

Die Vereinbarung geht bis Wimbledon. Dann werden wir weitersehen. Es muss passen. Eine Trainer-Spieler-Beziehung ist etwas Intimes. Man muss sich genau kennen, sich gegenseitig komplett vertrauen. Man muss sich mögen. Sonst kann es nicht funktionieren. Wenn wir uns beide wohlfühlen – wer weiß, wie lange es dann dauern wird.

Stehen Sie auch auf dem Platz und schlagen Bälle mir ihr?

Normalerweise nicht, sie hat einen festen Hittingpartner und ich schlage ohnehin nicht mehr hart genug. Aber ein paarmal habe ich mit ihr trainiert, etwa wenn sie gegen Linkshänderinnen antreten musste. Ich habe den Aufschlag simuliert. Sie selbst sind ein großer Champion.

Sie haben 18 Grand-Slam-Turniere gewonnen. Agnieszka fehlt bislang ein großer Titel. Was können Sie ihr beibringen?

Es sind viele kleine Dinge, die sie verbessern kann. Es ist nicht so, dass sie große Hilfe braucht. Bei den Schlägen und in den Situationen, in denen sie sich wohlfühlt, kann man sofort ansetzen. Dann gibt es Dinge, die brauchen etwas länger. Sie ist offensichtlich schon eine großartige Spielerin. Aber jeder kann sich verbessern. Wichtig ist, dass sie sich öffnet. Sie muss fest daran glauben, besser werden zu können, und diesem Ziel alles andere unterordnen. Ihr Aufschlag braucht ein bisschen mehr Punch. Aber sie serviert jetzt schon stärker, schlägt mehr Asse. Es sind kleine technische Details, um die es geht.

Wird sie häufiger ans Netz gehen?

Es geht nicht darum, ans Netz zu gehen. Es geht darum, wohin und von welcher Position aus man den Ball spielt. Man muss nicht unbedingt nach vorn gehen. Aber man sollte sich näher Richtung Netz bewegen, wenn man die Möglichkeit dazu hat. Wir arbeiten daran, dass sie den Ball früher trifft, um in eine offensivere Position zu kommen.

Sie spielten früher bedingungslos Serve-and-Volley. Würden Sie das heute auch tun?

Es ist heute einfacher zu returnieren als in meiner Zeit. Das macht es schwer, ans Netz zu gehen. Die Aufschläge sind auch viel besser und das erschwert Chip-and-Charge, wie ich es praktiziert habe. Ich kam mit meinem Return direkt ans Netz. Man muss genau wissen, wo man auf dem Platz steht, wenn man Richtung Netz geht. Der erste Volley ist der anspruchsvollste Schlag. Man braucht großes Selbstvertrauen und besondere Fähigkeiten für Netzangriffe. Ich würde Agnieszka nie raten, anders zu spielen, als es ihrem Naturell entspricht. Fakt ist: Sie hat schon früher hin und wieder Serve-and-Volley gespielt.

Ist Cleverness wichtiger als Power?

Es schließt sich nicht aus. Einige Spielerinnen haben mehr Power als andere. Einige haben bessere Aufschläge, bessere Volleys oder einen guten Slice. Jede hat ihre Stärken und Schwächen. Die Frage ist, wie man im Match damit umgeht. Das gilt nicht nur für Agnieszka, das gilt für jeden Spieler. Aber es ist ein individueller Sport und meine Aufgabe ist es, das Beste aus Agnieszkas Fähigkeiten herauszuholen.

Die Tour hat sich seit Ihrer aktiven Zeit extrem verändert. Es gibt mehr Turniere, mehr Preisgeld, mehr Professionalität. Ist heute alles besser? Oder anders gefragt: Vermissen Sie heute etwas?

Besser war, dass die Spielerinnen enger zusammenhielten. Wir hatten nicht das Geld, um ein Team um uns herum zu bezahlen. Erst in den 80er- und 90er- Jahren wurde das anders. Heute sitzen der Coach, der Hittingpartner, Vater, Mutter, Geschwister und der Freund an einem Tisch. Darunter leidet der Kontakt untereinander. Aber vieles ist besser. Auf den Turnieren wird sich mehr um die Spieler gekümmert. Das Reisen ist einfacher, die Hotels und die Infrastruktur auf den Turnieren sind besser. Sogar das Essen schmeckt leckerer. Ich brachte mir meine eigenen Gerichte mit, weil ich immer sehr auf meine Ernährung achtete. Heute wird man hervorragend versorgt.

Was hat sich auf dem Platz verändert?

Es gibt bessere Saiten, hochwertigere Rackets. Die Spielerinnen sind fitter. Früher gab es mehr Kontraste. Ich stürmte ans Netz und Chris Evert oder Steffi Graf hielten von der Grundlinie dagegen. Das hat den Reiz unserer Duelle ausgemacht. Es gibt immer noch Unterschiede, aber sie sind nicht mehr so offensichtlich. Reines Serve-and-Volley funktioniert nicht mehr. Man muss die Ballwechsel anders aufbauen, drei, vier Bälle schlagen, sich in Positionen bringen. Die Strategie ist subtiler.

Würden Sie sagen, dass Sie heute mehr zu tun haben als je zuvor?

Bei den Grand-Slam-Turnieren in jedem Fall – Fernsehen, Trainerjob und oft Matches bei den Senioren. Zu Hause in Miami bin ich auch beschäftigt, aber es ist eine andere Form von Stress: Ich bin verheiratet. Wir haben zwei Mädchen und Haustiere – fünf Hunde, eine Katze, einen Vogel. Und: zwei Schildkröten.

xxx

Martina Navratilova

Geboren: 18. Oktober 1956

Geburtsort: Prag

1. Profisaison: 1973

Karriereende: 2006

Preisgeld: 21,626 Millionen US-Dollar

Karrierebilanz Einzel: 1140:213 Siege

Turniersiege Einzel: 167

Siege in Wimbledon: 9

Wochen als Nummer eins: 331

Grand-Slam-Titel: 18

Längste Siegesserie im Einzel: 74 Siege (1983 bis 1984)

Heute: noch immer mit dem Tennis eng verbunden (Fernsehexpertin und seit Dezember 2014 Trainerin der Polin Agnieszka Radwanska)